Die Deutung der 1,52 m großen Marmorreplik als Liebesgöttin Aphrodite geht unter anderem auf die Geschichte zweier sizilianischer Bauerstöchter aus Syrakus zurück, die der griechische Schriftsteller Athenaios um 200 n.Chr. verfasste. Darin streiten sich zwei Schwestern am Straßenrand darum, wer von beiden den schöneren Po habe und so muss ein vorbeikommender wohlhabender junger Mann als Schiedsrichter fungieren. Er entscheidet sich für die Ältere, in die er sich verliebt und beide heiraten. Doch auch die andere Schwester findet ihr Glück, indem sie sich mit dem jüngeren Bruder ihres Schwagers vermählt. Zum Dank für diese positive Wendung ihres Schicksals, lassen die Schwestern der Aphrodite Kallipygos einen Tempel in Syrakus errichten und stiften ihr ein Kultbild. So entstand der doch sehr ungewöhnliche Beiname der Statue Kallipygos, von kalos = schön und pygos = Gesäß, was, „die mit dem schönen Hintern“ bedeutet.
Die überlieferte Statue der Aphrodite Kallipygos stammt wahrscheinlich aus der römischen Kaiserzeit. Lange Zeit ging die Forschung davon aus, dass das Original, also das Vorbild für die römische Replik, ein Werk des späten Hellenismus (1. Jh. v. Chr.) gewesen sein muss, da es davor untypisch war, weibliche Figuren in dieser Weise nackt darzustellen. Neuere Erkenntnisse unterstützen jedoch die Datierung auf die Zeit des Frühhellenismus (3. Jh. v. Chr.), für die auch die geschlossene Form des Körpers und die blockhafte Gestaltung sprechen. Laut Überlieferung wurde die Marmorreplik im 16. Jahrhundert in der Domus Aurea, dem Palast des römischen Kaisers Nero, in Rom gefunden und später Teil der umfangreichen Kunstsammlung der Farnese. Seit Mai 1802 befindet sie sich nun im Archäologischen Nationalmuseum in Neapel.
Die verschiedensten Kopien und Nachbildungen bezeugen die Popularität der Aphrodite Kallipygos für das 18. Jahrhundert. Diese verdankt sie der doch spekulativen Deutung als Liebesgöttin und ihrer außergewöhnlichen Darstellungsweise. In ganz Europa waren Kallipygos-Bildnisse en vogue und schmückten so manchen Schlosspark und Antikensammlung oder fanden in Gemälden Verwendung.